Fastenzeit
Tempo raus und innehalten
Die Fastenzeit – für viele klingt das nach einem alten Ritual, verstaubt und streng. Doch was, wenn wir die Fastenzeit als Chance begreifen – als Zeit, um uns bewusst zu machen, was wir wirklich brauchen?
Fasten ist mehr als Verzicht. Es kann zu einem Gewinn werden. Ein Innehalten im Alltag, der oft von Überfluss geprägt ist. Zuhause in einem Land der Welt, in der viele alles im Übermass haben – Kleidung, Essen, Konsumgüter – stellt sich die Frage: Wie viel davon ist wirklich notwendig? Und wie viel davon schadet uns selbst und der Erde? Fasten kann heute mehr sein als der klassische Verzicht auf Süssigkeiten. Es kann ein bewusster Umgang mit Ressourcen sein – deinen eigenen und denen unseres Planeten. Was wäre, wenn du in der Fastenzeit auf etwas verzichtest, das dir wichtig erscheint, um zu prüfen, ob du es wirklich brauchst? Zum Beispiel:
- Digitales Fasten: Reduziere deinen Social-Media-Konsum. Was passiert, wenn du nicht mehr ständig durch dein Handy scrollst? Findest du Zeit für echte Begegnungen oder neue Hobbys?
- Konsumfasten: Kaufe in den nächsten Wochen nur das, was du wirklich benötigst. Keine neuen Klamotten, keine unnötigen Gadgets. Spüre, wie befreiend es ist, nicht ständig «mehr» haben zu müssen.
- Fleischlos fasten: Für viele gehört Fleisch täglich auf den Teller. Doch was, wenn du in der Fastenzeit komplett darauf verzichtest? Du entdeckst vielleicht neue, spannende Rezepte – und tust gleichzeitig etwas für das Klima.
Fasten hat auch eine weltweite Dimension. Während wir im globalen Norden im Überfluss leben, fehlt es vielen Menschen an den grundlegendsten Dingen: sauberes Wasser, Nahrung, Bildung. Indem wir bewusst Verzicht üben, können wir Solidarität zeigen. Jede nicht gekaufte Ware ist eine Gelegenheit, anderen zu helfen.
Vielleicht spendest du das Geld, das du in der Fastenzeit durch Verzicht einsparst, an eine Organisation, die sich für Menschen in Not einsetzt? Zudem hat unser Konsumverhalten direkte Auswirkungen auf den Planeten. Die Ressourcen, die wir täglich verbrauchen, sind endlich. Jeder Plastikbecher, jedes Stück Fast Fashion und jedes unüberlegte Produkt hat seinen Preis – oft auf Kosten der Umwelt und der Menschen, die in den Produktionsländern leben. Fasten bedeutet daher auch: innehalten, dankbar sein für das, was wir haben und Verantwortung übernehmen. Viele, die fasten, berichten von positiven Effekten, mit denen sie nicht gerechnet hätten. Wer auf Zucker verzichtet, spürt plötzlich mehr Energie. Wer das Auto stehen lässt, entdeckt, wie wohltuend es ist, zu Fuss oder mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Und wer bewusst digitale Pausen einlegt, erlebt, wie befreiend es ist, einfach mal offline zu sein.
Das Schöne ist: Fasten muss nicht perfekt sein. Es geht nicht darum, sich selbst zu kasteien, sondern um Neugier und Offenheit. Probiere aus, wie es sich anfühlt, ohne etwas auszukommen, das dir lieb geworden ist.Was macht das mit dir? Was vermisst du wirklich – und was vielleicht nicht? Die Fastenzeit vor Ostern (5. März bis 20. April) ist eine Einladung: Sie lädt dich ein, für ein paar Wochen bewusster zu leben, Prioritäten zu setzen und einen Unterschied zu machen – für dich selbst und für den Planeten. Was wäre, wenn diese Zeit nicht nur der Anfang von etwas Neuem ist, sondern auch ein Zeichen der Solidarität mit anderen? Probiere es aus. Verzicht ist kein Verlust – er ist ein Gewinn. Für dich. Für die Menschen um dich herum. Und für die Welt, die wir alle teilen.
Pfarrerin Cindy Gehrig