Gelassenheit, eine deutsche Erfindung

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Gelassenheit ist in aller Munde. In einer Welt, die zunehmend unsicherer wird und sich immer schneller dreht, in der Ungeduld, Hektik und Überforderung laufend zunehmen, fällt es uns Menschen immer schwerer, eine innere Ruhe zu bewahren. Die Stressoren, welche auf uns im Alltag einwirken, nehmen ständig zu. Wohingegen die Strukturen, welche den Menschen halt geben, immer unverbindlicher werden.

Es wundert daher nicht, dass Gelassenheit als Gegenmittel im Trend liegt. Praktiken, die Ruhe und Entspannung versprechen, sind gefragt. Nicht zuletzt mit dem Einfluss der asiatischen Religionen, in denen Meditation eine wichtige Rolle spielt, ist die Gelassenheit auch bei uns wieder populär geworden. Mit der Betonung auf wieder.

Denn das Wort Gelassenheit ist ursprünglich eine deutsche Erfindung.

Erfunden hat es vor mehr als 700 Jahren der Dominikanermönch Meister Eckhart. Über ihn und sein Leben ist nicht viel bekannt. Er ist wahrscheinlich im Jahre 1260 in Thüringen auf die Welt gekommen und 1328 in Avignon als Ketzer verstorben. In Erfurt wird er Dominikaner und Zeit seines Lebens führt Eckhart ein aussergewöhnlich geschäftiges und aktives Leben. Viele Jahre reist er tausende Kilometer durch Deutschland, unterrichtet in Strassburg, Köln und mehrmals an der berühmtesten Universität Europas, in Paris. Von dort stammte auch sein Magistertitel. Deshalb ist er heute als «Meister» Eckert bekannt.

Gerade dieses geschäftige Leben ist der Grund, warum die moderne Forschung ihn nicht als Mystiker sieht. Auch Meister Eckart selbst sah die Mystik als etwas Kritisches. Die Abkehr von der Welt, um sich in Gott zu versenken, war für ihn fragwürdig. Ein bekanntes Zitat von ihm lautet: «Du bist im Gebet nicht näher bei Gott, als beim Putzen der Latrine.»

In diesem Zitat wird deutlich, was die Theologie von Eckhart ausmachte. Zum einen verstand er es in einfachen Worten zu den Menschen zu sprechen.

Deshalb war er schon zu Lebzeiten populär. Und zum anderen geht es Eckart um eine Nähe zu Gott, die sich im gewöhnlichen Alltag vollzieht, beim Putzen und beim Umgang mit den Mitmenschen.

Für diese alltägliche Gottesnähe spielt bei ihm die Gelassenheit eine wichtige Rolle. Gelassenheit leitet sich für Eckart aus der passiven Form von Lassen ab. Konkret empfiehlt uns Eckhart: «Du musst dich selbst lassen, dann wirst du gelassen.»

Er meint damit, dass wir uns lösen von den eigenen Bildern und Erwartung, um von Gott gelassen zu werden. Dieses von Gott gelassen werden, bedeutet nichts Geringeres, als dass Gott nicht darauf achtet, was wir leisten, sondern was wir sind. Wenn wir also von uns loslassen, können wir in Gottes Liebe ruhen. Auch, wenn wir eine Latrine reinigen.

Damit war Meister Eckert schon sehr reformatorisch. Nicht die frommen Werke ermöglichen uns den Zugang zu Gottes Herrlichkeit, sondern das Gottvertrauen. Kein Wunder musste Eckhart vor der Inquisition beim Papst in Avignon antraben. Der natürliche Tod bewahrte ihn vor einem Prozess. Aber wahrscheinlich hätte er die nachträgliche Verteilung seiner Theologie mit Gelassenheit hingenommen. Im Wissen darum, dass er durch seine Gelassenheit von Gott getragen ist.

Pfarrer Stephan Krauer

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